Günter Lang - Ein Lorbass von der Schleuse

Mein schönster Spaziergang durch Praust

Verschwunden ist die Dunkelheit der Nacht. Sonnenstrahlen durchbrechen die über der Alten Radaune liegenden Nebelschwaden und lassen die durch den Tau benetzten Spinnweben in den Weidenbüschen als wahre Kunstwerke erscheinen. Da alles noch ziemlich nass an der Radaune ist, gehe ich zurück auf die Meisterswalder Straße, um meinen Spaziergang Richtung Schleuse fortzusetzen.

Zur Linken das Haus der Familie Buchholz, etwas weiter rechts das der Familie Hinz. Herr Hinz ist gerade dabei das Pferd auszuspannen. Ich grüße und frage nach Herbert. Die Antwort: ,, Muss noch drinnen sein, aber wir wollen gleich nach Bangschin was abholen."

Weiter Richtung Schleuse, zur linken das Haus von Postbote Schenvat und dann das meines Onkels Paul Eckmann. Ich biege rechts ab zur Schleuse, gehe über die Schleusenbrücke und schon sehe ich Hem Ferdinand Klatt bei der Arbeit am Schleusentor. Ich frage nach Arno, muss wohl im Stall sein. Und schon höre ich „ Hallo Günter. Wo willst du denn hin ?" ,,Zu den Karpfenteichen von Kaminski und weiter zur Schleuse der Neuen Radaune." Herr Kaminski kommt gerade aus dem Kraftwerk der neuen Radaune und fragt: „Wer bist du denn?" ,, Der Sohn vom Bussfahrer der Firma Peters Franz Lang." „Ach vom Franz, bestell einen schönen Gruß."

Mein Weg führt mich entlang der Neuen Radaune zur Würfelstraße. Ich stehe auf der Holzbrücke der Neuen Radaune. Rechts zur Dirschauer Straße das Haus von Schneidermeister Pawlowski. Ich bewundere auf der Brücke die wunderschönen Trauerweiden, die ihre Äste bis ins Wasser hängen lassen und mit dem Wasser spielen. Hinter der Holzbrücke beginnt jetzt die Würfelstraße. Auf der linken Seite stehen drei alte Eichen. Ich sehe gerade noch wie ein Eichhörnchen den Baum hochflitzt. Weiter oben steht das weiße Haus. Hier wohnen Familie Polley und Brotzki. Harry Polley, ein Klassenkamerad, ist nicht zu sehen. Aber Traute und Paula Brotzki sind im Garten. Ich rufe: ,,Hallo, ihr Zwei" und schon kam es im Chor zurück. „Der Schleusen-Günter". Paula ist eine meiner Klassenkameradinnen. Gegenüber von Brotzkis, das Haus von Schuster Rasch und Fam. Ewert.

Weiter geht es am Haus von Familie Gust vorbei. Helmut ist nicht zu sehen, aber rechts in der Schule ist das Hausmeisterehepaar Hannemann beim Fensterputzen. Ich grüße und gehe zur Turnhalle. Schaue zur Badeanstalt, aber da ist nichts los. Und schon geht mein Weg über den Schulhof weiter zur Mühle Weigle. Im Hof der Mühle herrscht reges Treiben. Hinter der Mühle kommt gleich der Plapperberg. Auf der anderen Seite die Kirche. Pfarrer Walter geht gerade rüber zur Kirche. Jetzt komme ich zur Gischkauer Straße. Hier wohnen Familie Pleger und Höpfner, die ich kenne. Eva Höpfner kommt gerade von Bäcker Kadatzke in der Dirschauer Straße, von dem sie Brötchen geholt hat. Wir wechseln ein paar Worte und gehen wieder auseinander. Von Ernst und Rudi Pleger keine Spur.

Jetzt entscheide ich mich bei der Gastwirtschaft Willer über die Radaunebrücke zu gehen in die Dirschauer Straße. Aber nicht nach links beim Tierarzt Schäfer vorbei, sondern nach rechts zum Tante Emma-Laden Pohl, den Eltern von Siegfried und Werner. Gehe dann zur Lindenstrasse, von uns auch Grund genannt. Warum, weiß ich nicht!

Zu Beginn die Hufschmiede Schwertfeger. Dort stinkt es nach verbranntem Horn durch das Anpassen der heißen Hufeisen. In der Lindenstrasse hängt rechts ein Schild Gärtnerei Zindel. Danach kommt ein Schild Fleischerei Kollent und ein weiteres Milchgeschäft Schwarz. Links liegt dann der Eiskeller und die Gastwirtschaft Stanitzke. Hinter der Apotheke kommt das große Tor der Schlosserei Jahr. Und schon kommt Herbert Rosamowitz mit dem Fahrrad zum Tor heraus. „Hallo Günter!" ,,Herbert wo willst du denn hin?" ,,Rüber zu Stanitzke, am Geländer ist was kaputt". Also Servus. Bei Doktor Möbius stehen zwei Frauen auf der Stahltreppe und plachandern. Ich muss rüber zur anderen Strassenseite zum Schreibwarengeschäft Tornow Bleistifte holen. Vom Fahrradgeschäft Bock brauche ich auch noch Flickzeug fürs Fahrrad. Dann am Prauster Hof Kucks vorbei. Gegenüber das Altenheim. Von uns Siechenheim genannt! Bis zum Kriegerdenkmal geht mein Weg.

Gegenüber liegt die Drogerie Andres. Hinter dem Kriegerdenkmal am Markt biege ich bei der Gastwirtschaft Kresin nach links ab und komme wieder in die Würfelstraße. Schaue mir von der Radaunebrücke nochmal das schöne Panorama von Traueweiden und Wasser an. Gehe dann in Richtung Gärtnerei und Baumschule Radtke.

Am Ende der Würfelstraße kommt der Rottmannsdorfer Weg. Ich gehe nach rechts in die Danziger Straße. Zur linken Seite die Fleischerei Stangnet und das Kolonialwarengeschäft Pahlke. Gegenüber von Pahlke, Danziger Straße 20, ist mein Geburtshaus. Hier wohnte auch einige Zeit Familie Herholz mit Hänschen (Johannes). Jetzt habe ich Hunger bekommen und gehe am Anfang der Fleischerstraße in die Bäckerei Kalweit. Kaufe mir für ein Dittchen eine Schnecke. Bis zur Privatschule habe ich die Schnecke verdrückt. Hinter der Privatschule ist die Sparkasse und das Bekleidungsgeschäft Prohl.

Mein Spaziergang geht weiter in die Bahnhofstraße. Ecke am Markt und Bahnhofstraße ist das Kaiser's Kaffee Geschäft. Links die katholische Kirche. Weiter rechts das gelbe Haus von Rektor Karnath. Von der Bahnhofstraße geht dann auch der Friedhofsweg ab. Dort hatten wir auch unser Fliegerheim unter der Leitung von Lothar Knetter und Erhard Buchholz. Hier haben wir auch unsere Flugmodelle gebaut. Bei der Zuckerfabrik angekommen plagt mich der Durst. Gegenüber der Zuckerfabrik ist der Sportplatz mit der Kantine. Hier war Bübchen (Heinz) Chrzonowskis Mutter ,,Die Person". Ich rein, und schon stand die gute Seele da. ,,Na, mien Jung". Sie kannte uns ja vom Fußballverein her, in dem Frank Lüttke unser Trainer war. „Ich hab solch einen Durst" und legte zwei Dittchen auf die Theke. Frau Chrzonowski goss ein Glas Brause ein und reichte es mir. Die zwei Dittchen schob sie mir wieder zurück. Sagte aber zu mir: ,, Dafür fegst Du mal unten nach dem Training Eure Umkleidekabinen aus." Ich trank meine Brause aus, bedankte mich und verschwand.

Am Bahnübergang Praustfelder Weg, Wiesenweg, Werderstraße, Müggenhahler Straße angekommen, war die Schranke zu. Schon kam der Bummelzug aus Richtung Karthaus und fuhr nach Danzig. Ich ging vorbei an Wasserturm und Post zum Bahnhof. Dann weiter zum Damm der Alten Radaune in Richtung Fabeckweg. Hier musste ich mich entscheiden, ob ich an der Alten Radaune entlang über die Gansbrücke (Die Gans mündet hier in die Alte Radaune) oder aber über den Fabeckweg nach Hause gehe. Ich entschied mich fiir den Fabeckweg. An den Hausern bei Familie Ernst und Erich Kahs angekommen, hörte ich rechts im Landjahrlager Gesang in den höchsten Tönen. Bis zur Dirschauer Straße war es jetzt nicht mehr weit. Gleich an der Ecke bei Fleischer Gärtner traf ich Benno Loth. Wir redeten ein paar Minuten und ich ging wieder Richtung Schleuse nach Hause. Am Gut Wiens vorbei bis Busunternehmer Peters. Dann kam die Gastwirtschaft Bialkowski (Falk), Ofensetzer Pawlowski (Paulsen) sowie auf der anderen Straßenseite Gärtnerei Müller. Und schon stand ich auf der Brücke der Alten Radaune. Bei Witzniks, Ecke Dirschauer-, Meisterswalder Straße und NSV-SiedIung sah ich schon meine Mutter bei Oma Drewing stehen. Sie sah mich auch gleich und winkte. Ich hin. Begrüßte Oma Drewing und Mama. „Na, Du Rumtreiber." Meine Mama und ich gingen dann nach Hause. Ach Mutti war das schön. Meine Heimatumgebung mal wieder richtig zu sehen.

Quelle: Günter Lang - ehemals An der Schleuse 14