Pionier im ostdeutschen Gartenbau
Anton Rathkes Lebenswerk in Praust


Kulturbilder aus dem alten Danzig entrollen sich aus bisher noch unveröffentlichten Lebenserinnerungen Anton Rathkes, der es aus entbehrungsreichen Jugendjahren in einem armseligen Dorf Ostpreußens durch Fleiß und Tüchtigkeit vom Hofgärtnerlehrling in den Diensten des Fürstbischofs Josef von Hohenzollern in Oliva zum angesehenen Baumschulenbesitzer in Praust brachte. Anschauliche Schilderungen aus den Jahren 1813 bis 1898, die Anfang und Ende des inhaltreichen Lebens Rathkes begrenzen, eröffnen interessante Einblicke in ein von Kämpfen und Sorgen, aber auch von sichtbaren Erfolgen erfülltes Lebenswerk.


Wie der aus kleinen bürgerlichen Verhältnissen hervorgegangene Gelbgießersohn Ferdinand Schichau in Elbing (1814 1896) zum Pionier des Maschinen und Schiffbaues im Osten wurde, so entwickelte sich in Parallele eines gleichen Zeitlaufes der aus Kleinbäuerlichkeit in Schmolainen im Ermlande stammende Anton Rathke (1813 1898) zum Pionier des Gartenbaues und der Gartenkunst im deutschen Osten. Mit seinem Namen verband sich die Firmengebung für den Gartenbau Großbetrieb, die Samenkulturen und die Baumschulen von A. Rathke & Sohn, Danzig Praust. Dieses Unternehmen wurde in den Jahren nach 1870 bis in die Zeit nach dem ersten Weltkriege zu einem festen Begriff für erstklassige fachliche Leistungen.

Baumschulenbesitzer Franz Rathke

In Vater und Sohn Rathke und ebenso auch in ihren engsten Verwandtenkreisen lebte eine Familientradition passionierter Gartenbaufachleute mit Können und Leistung.


Schon frühzeitig regte sich in Anton Rathke das große Interesse für Pflanzen und Blumen. Er erzählt in seinen Aufzeichnungen davon, wie ein reichlich blühendes Beet Reseda im Schulgarten von Schmolainen seine hellste Freude und Bewunderung fand und wie er sich schon als Zehnjähriger bemühte,.auch andere schöne Sommerblumen kennenzulernen. Die Beobachtungen in der Natur, die Pflege von Pflanzen und Blumen und die Freude am Wachstum wurden ihm zum Lebensinhalt. Unter vielen episodischen Begebenheiten liest sich recht interessant die Schilderung Anton Rathkes, wie er sich als 18jähriger Jüngling im Sommer des Jahres 1831 im Schloßgarten von Oliva mit großem Eifer an einem Wettpflanzen beteiligte, aus diesem zwar als Sieger hervorging aber sich dennoch damit vertrösten lassen mußte, erst im nächsten Jahre in die so sehr ersehnte Stelle eines fürstbischöflischen Hofgärtnerlehrlings einrücken zu können. Man glaubt, die Gestalt des Fürstbischofs von Hohenzollern selbst durch die verträumten Stätten des Schloßgartens in Oliva Wandeln zu sehen, wenn Anton Rathke von dem großen Interesse des hohen geistlichen Würdenträgers an der gärtnerischen Verschönerung dieses wundervollen Kleinods zu berichten weiß.


Auf seiner Wanderung im Sommer 1837 durch Deutschland erschlossen sich dem 24jährigen Gärtnergehilfen Anton Rathke - als ihn ein mitreisender Goldschmied auf seiner ersten Fahrt mit der neuen Eisenbahn von Leipzig nach Magdeburg begleitete - die Erkenntnisse, für seine spätere erfolgreiche Selbständigkeit in Danzig. Acht Tage wurde er in Hamburg zu aufmerksamen Beobachtungen angeregt. Er sah die großartigen und reich mit Pflanzen versehen Gärten in Hamburg-Flottbeck, ebenso die Flottbecker Baumschule der Fa. Boots & Söhne die als die größte auf dem Kontinent galt, nicht ahnend, daß später auch seine 1870 begründete Firma A. Rathke & Sohn in Praust fast ebenso fachlich leistungsfähig bekannt werden würde wie diese.


Echte Freundestreue und kameradschaftliche Hilfsbereitschaft ermöglichten es dem an Kapital armen Anton Rathke im Jahre 1840 durch die Gründung einer eigenen Gärtnerei in Danzig, Sandgrube 399, zu einer sicheren Existenz zu gelangen. Und dann wird zeitgeschichtlich noch bedeutungsvoll, wie durch seinen Unternehmungsgeist Georginen und Pelargonien mit ihrer reichen Blütenpracht als Modepflanzen auch im alten Danzig begeisterten Eingang und für ihn lohnenden Absatz bei allen Blumenfreunden finden konnten. Als Anton Rathke im Herbst 1898 mit 85 Jahren in Danzig heimging, war sein 1858 in Praust begonnenes Gesamtunternehmen mit der neuzeitlichen Betriebsführung durch seinen Sohn Franz zu einem Musterbetrieb des Gartenbaues in der Provinz Westpreußen gewachsen. Die Gartenkulturen mit den Baumschulen in Praust wurden nicht nur beispielgebend für die Fachkundigen, sondern boten auch den Lehrkräften der Schulen mit ihren herangeführten Schülern eine Fülle naturkundlicher Belehrungen.


Lebensschicksale der Familie Rathke

Anton Rathke wurde am 12. August 1813 in Schmolainen bei Guttstadt (Ostpreußen) als jüngstes Kind seiner Eltern geboren. Er heiratete dort am 7. Januar 1839 Minna Siebert, Tochter des Gärtners, in Schmolainen. Von den Kindern des Ehepaares Anton Rathke war Emilie, geboren am 28.Dezember 1839, die älteste Tochter. Sie verehelichte sich mit dem Juwelier Sohr in Danzig, Große Wollwebergasse, dessen Geschäftsnachfolger der Uhrmacher und Juwelier Eugen Wegner wurde. Ein Bruder des Juweliers Sohr firmierte als Inhaber der bekannten Möbelfabrik F. A. Sohr. Anna Rathke, geboren am 27. Oktober 1845, verehelichte sich mit Eduard Grentzenberg, Inhaber einer Konditorei in Danzig auf dem Langen Markt, die später auf den Konditoreibesitzer Haueisen überging.


Franz Rathke, der seit dem Jahre 1870 der neu eröffneten Firma A. Rathke Sohn in Praust einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufstieg zu geben vermochte, wurde am 22. November 1842 in Danzig, Sandgrube, geboren. Er lernte, nach dem Erwerb der mittleren Reife, zuerst in der Schloßgärtnerei Sanssouci in Potsdam, ging zu seiner Vervollkommnung in eine Gärtnerei nach Frankreich und besuchte darauf die Gärtnerei-Lehranstalt in Potsdam, die später nach Berlin-Dahlem verlegt wurde. Das Zeugnis für Franz Rathke aus Potsdam lautete in allen Lehrfächern Sehr gut. Nachdem er seiner Militärpflicht als Einjährig-Freiwilliger bei dem Grenadier-Regiment König Friedrich 1. (4. Ostpr.) Nr. 5 in Danzig genügt hatte, übenahm er 1863 die Leitung des seit 1858 in Praust betriebenen väterlichen Unternehmens. Aus dem Kriege von 1866, gegen Österreich kehrte Franz Rathke als Offizier. zurück. Nach Teilnahme als Frontkämpfer am Deutsch-Französischen Kriege kehrte er im Frühjahr 1871 gesund nach Hause zurück, während unterdessen der Vater vertretungsweise für ihn die Geschäftsführung hatte. Hauptmann Franz Rathke, wie man ihn nach seinem militärischen Rang zu nennen pflegte, war lange Jahre hindurch Amtsvorsteher des Amtes Praust, damals noch zum Kreise Danzig-Land gehörig und 1887 in die Landkreise Höhe und Niederung geteilt. Im öffentlichen Leben erfreute Franz Rathke sich durch sein ausgleichendes schlichtes Wesen jedem hohlen Pathos abgeneigt allgemeiner Beliebtheit und vollsten Vertrauens in weiten Kreisen von Stadt und Land. Als guter Patriot zu gelten, war für ihn die höchste Ehre. Als Franz Rethke im 66. Lebensjahr am 19.. August 1908 aus rüstigem Schaffen durch den Tod abberufen wurde, fiel das Trauern um seinen Heimgang - welch eine Ironie grausamen Schicksals! - zusammen mit dem 50-Jahr-Gedenken der väterlichen Gründung des Gartengroßbetriebes in Praust hatte den Vater als einstigen Seniorchef des Gesamtunternehmens nur zehn Jahre überlebt. Seine Ehefrau Elise geb. Roemer (geb. 19.12.1842 in Danzig) folgte dem Gatten am 29. April 1919 in die Ewigkeit.


Conrad von Fabeck Rittergutsbesitzer auf Schierzig, Kreis Meseritz (Posen), geb. am 9. Juni 1870 in Hannover, ein Neffe des nachmaligen Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg, der am 30. September 1903 mit Eva Rathke (geb. 3.8.1884 in Praust), der ältesten Tochter des Franz Rathkeschen Ehe paares, die Ehe einging, übernahm nach dem Heimgange seines Schwiegervaters die Leitung des gesamten Unternehmens in Praust Dieses wurde während des ersten Weltkrieges (1917) von der Provinz Westpreußen käuflich erworben, um den Zwecken eines Lehrbetriebes nutzbar zu werden. Aus dem Chaos des zweiten Weltkrieges fand das von Fabecksche Ehepaar, heimatvertrieben aus Zoppot, 1945 eine Zuflucht in Meldorf (Holstein). Ihr einziger Sohn Albrecht von Fabeck (geb. 25. 11. 1904 in Schierzig), verheiratet mit Anna-Luise von Österreich, lebt mit Gattin und sechs Kindem (vier Knaben, zwei Mädchen) als Farmer in Chile. Franz Rathkes zweite Tochter, Anna, verehelicht mit Kurt Seeliger, war mit ihm angemessen auf dem Gut Banow, Kreis Schlawe (Pomm.). Als Heimatvertriebene haben sie jetzt ihren Wohnsitz im Kreise Stendal. Von ihren drei Kindern (zwei Söhnen und einer Tochter) fiel ein Sohn im letzten Kriege in Rußland, der andere Sohn stürzte als Flieger ab. Franz Rathkes ältester Sohn Anton (geb. 12. 1. 1888 In Praust) starb als Generalleutnant in russischer Gefangenschaft. Sein Sohn Joachim fiel als Panzerleutnant. Franz Rathkes zweiter Sohn, Oberstleutnant Walter Rathke (geb. 19.8.1890 in Praust), wurde zweimal mit seiner Familie in Berlin ausgebombt und ging 1945 nach sowjetrussischer Besetzung mit seiner Frau und Tochter in Lindow bei Neuruppin in den Freitod.


Wie Danzig Anton Rathke entscheidend in seinen Lebensschicksalen verbunden wurde, hat er dahin aufgezeichnet: Das erste Haus, das ich in Danzig betrat, war das beim Handelsgärtner Kalcher in der Sandgrube in Gemeinschaft von Gärtner Großmann, das zweite Haus das in Königstal bei der Familie Großmann, und gerade diese Stätten wurden für Mich die späteren Wirkungskreise, zuerst Königstal und nach etwa sechs Jahren Danzig, Sandgrube damals 399. Letzterer Platz wurde mir später Wohnung für Lebenszeit.


Über interne Familienerinnerungen hinaus aber sind Anton Rathkes Lebensaufzeichnungen in ihrer Lebendigkeit der Darstellung und seiner Beobachtung von Menschen und Dingen zu einem trefflichen Spiegelbild des Zeitgeschehens bis zur Jahrhundertwende geworden.


Quelle: Arthur Lenz