Heinz Grabert - Ein Lorbass aus der Baltikumssiedlung

Wir Kinder der Baltikumssiedlung Danzig-Praust

Meine Erinnerungen wie es damals bei uns in der Siedlung war und was wir so erlebten. Angefangen in den Jahren des Schulbesuchs im Freistaat Danzig. Was hatten wir doch zu Hause für ein herrliches Leben. Es heißt nicht umsonst die Kinder- und Jugendzeit ist die schönste Zeit im Leben. Wenn ich jetzt so nachdenke, sie war es auch.

Wenn Mutter früh morgens an der Kette unsere Koß (Ziege) auf den Koßenberg brachte und anpflockte (am Pfahl festmachen) damit sie fressen konnte. Mittags war die Stelle schon kahl gefressen. Nach unserem täglichen Schulgang, den gemachten Schulaufgaben auf der Schiefertafel und das Lernen aus der Fibel, gingen wir zum Koßenberg um die Koß umzupflocken. Die Gans, ein kleines Flüsschen in der Näbe hieß so, war auch mal unser Spielplatz. Es wurden Dämme gebaut, das Wasser gestaut um paar Stuchels (Fische) oder Kaulquappen zu fangen. Einmal hatte Bruder Hans eines großen Aal gefangen, der schnell zu Mutter gebracht wurde. Wenn's schön warm war durften wir Kinder in der Radaune zwischen Schleuse und Steinbrücke baden gehen. Uns Jungs zog es manchmal die Gleise entlang. Die Strecke Karthaus nach Gischkau, immer auf den Schwellen lang zum Baden. Das Wasser der Radaune war hier besonders wild und voller Strudel. An einer Stelle hatten Bauern einen Bohlenübergang gemacht um die Wiesen auf der anderen Seite zu erreichen. Dort weideten die Kühe, die gemolken werden mussten. Hier konnte man schön nackich baden, aber sehr gefährlich. Wir sprangen Kopfheister vom Übergang gegen den Strom ins Wasser. Wir mussten aufpassen, dass uns die Strömung nicht unter den Steg zog. Mein Bruder Hans wäre hier beinahe ertrunken. Er konnte noch nicht gut schwimmen, nur so wie ein Hund. Er verpasste den Steg. Unsere Spielkameraden Paulchen und Walter retteten ihn gerade noch. Sie legten ihn auf die Seite. Er hatte schon eine Menge Wasser geschluckt. Nach einem Hustenanfall kam das Wasser raus und er schlug die Augen wieder auf. Zu Hause wurde der Vorfall unseren Eltern nicht erzählt.

Mit mehreren Kindern wurde auf einem alten Herrenfahrrad fahren gelernt. Ein Bein durch den Rahmen aufs Pedal, das andere auf dieser Seite. Dann wurde angeschoben, losgelassen und schon fuhr man. Zuerst noch paar mal gegen den Stackerenzaun und auf die Fresse, dann klappte es aber bald.

Am Ackerrain saßen wir Kinder und schauten der Getreideernte zu. Der Anfang wurde mit der Sense gemäht und dann kamen die Ableger (Mäher) zum Einsatz. Es waren meistens acht bis zu zehn Mäher, immer hintereinander rund um. Die Felder der Güter Bangschin, Rossoschin und Woyanov waren riesig. Circa dreißig Frauen vielleicht auch mehr, haben das abgelegte, geschnittene Korn zusammengerafft. Von Hand zu Garben gebunden und dann mit Männern zu Haufen aufgestellt. Wir sagten Hocken dazu. Später hatten die Güter schon Selbstbinder, da brauchten die Garben nur noch gestellt werden. Wir Kinder spielten abends gern in den Hocken Versteckspiel. Es fielen schon mal welche dabei um. Wenn die Hocken trocken waren, wurde auf großen langen Leiterwagen aufgeladen und eingefahren. Es wurde aber auch mit riesigen Drehmaschinen von einer Dampfmaschine angetrieben, direkt auf dem Feld gedroschen.

Auf dem Stoppeln oft barfuß, gings mit Muttern dann Ähren lesen. Das pikste vielleicht. Jeder von uns Kindern hatte einen Beutel umhängen, der wurde voll gesammelt. Es war ein Zubrot, wurde gemahlen und auch für die Hühner und Haustiere verfüttert. Nun war auch Zeit zum Drachen steigen. Von Mutter wurde ein Fünfer oder Dittchen (Goldstück) erbettelt für buntes Pergamentpapier zu kaufen um einen Drachen zu bauen. Zeitungspapier hielt nicht lange. Etwas Mehl für Kleister wurde aus der Küche gemopst. Im Spätherbst bei der Kartoffelernte (Bulwenernte), es war schwere Arbeit. Mutter hat auch schon mitgemacht um ein paar Gulden dazu zuverdienen. Vater verdiente nicht viel. Mit der Hacke wurde jede Staude ausgemacht. Die Kartoffeln dann in Kiepen (Weidenkörbe) eingesammelt. Männer leerten sie auf den Wagen. Für jede Kiepe, ein Zentner, gabs eine Marke. Abends wurde danach abgerechnet. Nach der Ernte wurde das Kartoffelstroh verbrannt. Wir Kinder rösteten uns die liegengebliebenen Kartoffeln in der Glut.

Bei der Zuckerrübenernte wurden die Rüben in großen Kastenwagen mit sechs Pferden davor, vom Feld gefahren. Auf der Chaussee (Straße) gings dann mit zwei Pferden weiter zur Zuckerfabrik. An der Bahnlinie, nahe unserer Siedlung, wurden auch Rüben in Waggons mit der Gabel eingeladen. Wir Luntrusse (Bengels) hatten manchmal auch Unfug im Kopf, ohne Überlegung. Die Schotten (Türen) der Waggons batten Überwurfriegel. Wir klopften abends mit einem Stein den Riegel einwenig hoch. Als die Lokomotive die vollen Waggons abholen kam, lösten sich die Riegel beim Aufprall gegen die Puffer. Die Schotten flogen auf und ein Teil der Zuckerrüben lagen wieder auf der Rampe. Von den Fuhrwerken fielen während der Fahrt mal welche runter, die wir Kinder aufsammelten. Wenn keine runterfielen liefen wir hinter den Wagen um paar Rüben loszumachen. Aber, O weh, wenn der Kutscher es merkte, gabs was mit der Peitsche. Zu Hause wurden die Rüben zu Sirup verarbeitet, jeder auf seine Weise. Die paar Dittchen und Gulden die, die armen Leute bei ihrer Arbeit verdienten, reichten manchmal vorne und hinten nicht. Im Dämpfer, ein Eisenfaß mit Feuerstelle und Rohr selbstgefertigt. Die Rüben wurden darin gekocht, dann klein gemahlen und ausgepreßt zu Saft. Der Saft zu Sirup gekocht, das roch und schmeckte gut. Wir Kinder durften den Kessel auskratzen und auslecken. Manchmal gabs da auch Streit. Nun zum Winter, was für ein Fest, wenn der selbst großgefütterte Kuschet (Schwein) geschlachtet wurde. Ich sehe es noch auf der Leiter hängen. Die Verarbeitung wurde auch mit Nachbarn gemacht. Viel Arbeit gabs, das Fleisch wurde zerlegt, geschnitten und eingepökelt, Wurst gemacht, Schinken gewürzt und zum Räuchern fertig gemacht. In einer Holztonne dann Wurst und Schinken geräuchert, es hielt sich dann sehr lange.

Der Speck musste ausgelassen werden. Das Schmalz kam in Töpfe aus Steingut, dann konnte man es lange aufbewaren. Für uns Kinder in der Familie war Fettes alln zuwider. Keiner wollt was Fettes. Wir mäkelten (meuterten) abends schon bei der Klietermus (Milchsuppe). Es bildete sich eine Haut oben, die mochte keiner. Manchmal war die Milch von unserer Koß oder vom Schoop (Schaf). Bratkartoffeln mit Prachersoß gabs hinterher. Mutter passte auf, dass gegessen wurde. Wenn's dann aber anfing zu frieren, das Teich und Fluss erstarrten, kam für uns Kinder wieder eine schöne Zeit. Auf Schlorren (Holzpantoffeln), Schlittschuhe konnte sich nur wenige leisten, glitschten wir über die überschwemmten, eingefrorenen Wiesen. Das erste Eis, wir nannten es Biegeeis. Es war wunderbar, weil es sich wie Wellen bewegte wenn man es betrat. Es wurde auch schon mal eingebrochen, da waren unsere Koddern (Klamotten) samt Sokken dann nass. Forsch (schnell) gings nach Hause um sie zu trocknen. Es gab auch mal von Mutter hinter die Ohren, sowie ein Hieb auf den Dups (Hintern). Schnell die Sokken am Kanonenofen und Herd gehangen. Wenn sie trocken waren, gings wieder raus. Ein Ereignis war, wenn Männer mit Sägen von der Brauerei kamen. Das dickgefrorene Eis im Torfbruch wurde geschnitten, in Stangen auf Fuhrwerke geladen und zu den Kühlkellern gefahren. Wenn die Männer abends weg waren, kam unsere Zeit. Bis es duster (Dunkel) war, fuhren wir mit den losen Schollen über die Teiche. Eisschollenfahren nannten wir Kinder es. Es kommt immer wieder Freude in einem auf, wenn man dran zurück denkt, wie schön es doch war. Abends wenn es schon duster war, Häns und ich noch mal aufs Plumsklo mussten hinterm Stall. Aus Angst hockten wir uns im Hof am Gartenzaun hin. Morgens wenn das Häufchen gefroren war, konnte man es wegtragen. Wie es anfing zu schneien, manchmal tagelang und es noch stiemte (wehte) war unsere Siedlung total abgeschnitten. 1 bis 2 Meter hoch lag mal der Schnee. Wir Kinder mussten uns dann selber einen Gang frei schippen. Wir mussten ja zur Schule. Es pustete auch ein usliger Wind, wie man so sagte. Auf der Dirschauer Chaussee fuhr der große Schneepfug von paar Pferden gezogen. Sie hatten Mühe durchzukommen. Ab und zu kamen die Bocherts (Herrschaften vom Gut) mit ihren Pferdeschlitten und Glockengeläut. Sie glitten dahin wie im Wintermärchen.

Rodelschlittenschlangen gabs, hintereinander gebundene Schlitten von einem Pferd gezogen gings durch die Winterlandschaft. Bei uns gings nach der Schule mit dem Schlitten zum Bahndammwall. Es war stellenweise acht Meter hoch. In der Schräge dann hatten wir eine Abfahrt von ungefähr zwanzig Meter. Unten angekommen, mussten wir dann wieder rauf. Skier haben wir uns in Eigenbau hergestellt. Bei unserem Krämer (Kaufmann) im Ort, bei dem gabs ja alles, sogar Heringe in der Tonne. So eine leere Tonne haben wir Jungens uns gekauft. Von den einzelnen Tonnenbrettern (Dauben) bekam dann jeder zwei Stück. Am Ende wurden paar Gurte vom alten Fahrradmantel geschnitten, festgenagelt wo die Füße rein kamen. Noch paar Stöcke von Weide oder Haselnuss geschnitten und schon gings los zum Bahndamm. Kleine Sprungschanzen wurden auch errichtet, da kam richtig Freude auf. Mein Bruder und ich sind einmal in der Woche zum Kommunionunterricht zur Bahnhofstraße in die kleine Maria-Hilf Pfarrkirche (erbaut 1925) gegangen. Unser Pfarrer hieß Kuschitzka oder ähnlich. Er war ein witziger Pfarrer. Wir haben viel Spaß gehabt. Bei schönem Wetter hielt er den Unterricht draußen im Kirchgarten ab. Einmal haben wir einen Ausflug nach Müblbanz gemacht. Wir sind auf den Kirchturm gestiegen und konnten weit ins Land gucken. Es war eine uralte Kirche. Im Kellergewölbe sollen früher Mumien beigesetzt worden sein. Im Winter auf unserem Heimweg vom Unterricht sind wir einmal noch forsch an der Radaunebrücke aufs Eis gegangen und prompt beide eingebrochen. Es hielt noch nicht, die Radaune war hier nur knapp 1 m tief. Somit baben wir nur nasse Beine und Koddern bekommen. Zu Hause aber gabs von Mutter eine Gardinenpredigt.

Vater hat in der Freistaatszeit auf der Zuckerfabrik als Saisonarbeiter während der Rübenckompanie gearbeitet. Er hatte ein altes Fahrrad, vorne mit der Karbidlampe. Wir haben mit dem Hammer Stücke Karbid klein gekloppt. Sie kamen in die Lampe, etwas Wasser vom Tank aufgedreht und es entstand Gas. Die angezündete Lampe zeigte unserem Vater abends den Weg nach Hause. Wenn er zu Hause war, wurde seine Brottasche nachgeguckt ob noch ein Stück Hasenbrot drin war. Es war ausgetrocknet und krumm wie eine Schuhsohle, schmeckte uns aber vorzüglich.

Hinter unserem Haus hatten wir eine Krupkaul. Eine im Erdreich ausgebauter, Art Keller mit Decke. Er diente zur Frischhaltung von Kartoffeln, Rüben und Gemüse. Später im Krieg mit dicken Bahnschwellen verstärkt diente er uns als Luftschutzkeller. Der aber Gott sei Dank nicht viel benutzt wurde. Erst später als die Front näher kam.

Wir Kinder haben auch oft der Mutter helfen müssen, wenn's zur Wäschemangel ging. Die Wäsche wurde im Handwagen hingefahren. Die Mangel das war vielleicht ein Unikum. Mutter wickelte die Wäsche auf Holzrollen. Sie kamen unter den Kasten der mit Steinen beschwert war. Wir Kinder drehten die Kurbel damit der Kasten hin und her fuhr. Durch die Last des Kastens auf den Rollen wurde die Wäsche dann glatt.

Der Milchmann und der Bäckerwagen kamen jede Woche in unsere Siedlung. Mit der Kanne wurde Milch geholt. Vom Bäcker gabs schon mal einen Amerikaner (Kuchen) zum Brot dazu, der wurde dann unter den Geschwistern geteilt.

Wir Bengel spielten auch Krieg gegen die Jungs vom Ort. Die Hosentaschen voll mit Steinen gestopft gings hintern Damm, nahe der Zement Fabrik, gegen die anderen Mannschaft. Nach Ende der Schlacht gings nach Hause mit manchen Blessuren, die erst mal verpflästert und verbunden wurden. Manchmal tats auch weh.

Die Eisenbahn im Freistaat, die in Richtung Karthaus nach Polen (Korridor) fuhr, unterlag der polnischen Bahn. PKP stand auf den Waggons und Lokomotive. Wenn bei der Trockenheit mal Brände vön der Asche der Lok am Bahndamm entstanden, wurden sie von uns Jungs auf den ganzen Damm gepesert ausgeweitet. Als wir dann abends nach Hause kamen gab es erst mal eine Abreibung. Wir rochen furchtbar nach Rauch und Qualm.

Auf dem Gleiskörper standen Telegraphenmaste. Die weißen Puppen an denen die Leitungen befestigt waren, zogen uns immer an. Mit selbstgefertigten Katapults wurden die Puppen mit Steinen kaputtgeschossen. Es war natürlich grober Unfug. Sie mussten ja wieder erneuert werden und wir guckten dabei sogar noch zu. Wenn dann unser Schienchen (Gendarm) in der Siedlung auftauchte, dann hatte er vorne seinen Säbel am Fahrrad eingeklemmt. Am Schako (Helm) das Danziger Wappen mit den zwei Löwen dran. Es flößte uns schon einen gewaltigen Respekt ein. Wir mit unseren Schnoddernasen standen dann da. Jungens kommt mal her, sagte er. Wir Lorbasse waren uns schon einig, wir waren's nicht, auch nichts gesehen, gepetzt wurde nicht.

Im Sommer 1939 fuhr Mutter mit drei Kindern nach Marienburg zum Einkaufen. Von Praust gings über Dirschau (Polen) nach dort hin, dass zu Ostpreußen zum Reich gehörte. In Dirschau patrouillierten auf den Bahnsteigen polnische Viereckige oder Vierkantige. So nannten wir sie (Soldaten mit 4 eckigen Mützen) mit aufgepflanzten Bajonetten. Wir durften schon nicht mehr aus den Fenstern sehen. Sie waren mit Vorhängen zugezogen. Mutter kaufte vor allem Kinderwäsche. Ob es günstiger als in Danzig war, ich weis es nicht mehr. Vielleicht war der Gulden mehr wert. Auf der Toilette haben wir Kinder uns mehrere Sachen übereinander angezogen, um dem Zoll ein Schnippchen zu schlagen.

Wenn im Herbst die Äpfel reif waren, lachten sie uns aus Nachbars Garten an. Er gehörte dem pensionierten Förster und Jäger. Er wohnte alleine im Haus, alles war offen. Zwei große Hunde sollten das Anwesen bewachen. Wir Luntrusse (Bengels) wollten paar Äpfel haben. Mit Knochen wurden die Hunde abgelenkt und schwups gings über den Zaun. Die Hose am Bauch zugeschnürt. Im Hemd von oben wurden die Äpfel reingepflückt.

Wir waren auch mal im Haus. Der Waffenschrank war offen und wir holten eine zweiläufige Flinte und Tesching raus. Geladen haben wir älteren Juugs und dann wurde auch geballert.

Wenn es mal in der Siedlung hieß, die Zigeuner kommen, da war de Diewel los. Die Mütter riefen ihre Kinder zusammen, die Wäsche kam von der Leine, alles wurde weggeräumt und versteckt, sonst wäre alles was nicbt niet und nagelfest war weg.

Wenn es mal die Radaune lang nach St. Albrecht zu Tante Mariechen ging, zum Kämnadergang hoch, war unsere Freude groß. Sie hatte einen großen Kirschgarten. In der Reifezeit haben wir mit Klappern und Bimmeln die Stare und Spatzen vertrieben, die zu hunderten sich an den Kirschen ergötzten. Zuerst aber wurde sich der Bauch voll gemacht, bis es einem schlecht war.

Wir waren zusammen fünf Kinder. Ein Bruder kam noch 1944 dazu. Unser Vetter aus Ohra lud uns mal zur Flobkiste (Kino) ein. Sie zeigten damals die schönen Stummfilme von Pat und Patachon.

Mit zwei Geschwistern gings über St. Albrecht die Radaune lang, über 3 Schweinsköpfe, Scharfenort, Guteherberge nach Ohra. Es war immer ein Erlebnis wenn wir dort waren. Am 12. Juli 1942 dann, nach nahe zu drei Jahren Ruhe, der erste englische Fliegerangriff auf Danzig. Ein Flugzeug ist bei Borgfeld auf einen Acker runter und es bohrte sich tief ein. Wir Jugendlichen neugierig, sind hin gelaufen, um zu sehen was los war. Es sah furchtbar aus. Der Pilot soll noch drin gesessen haben.

Auf unserem Hof gabs einen Ziehbrunnen. Es gab immer sauberes gesundes Wasser, dass direkt aus dem Eimer getrunken wurde und wir sind nicht krank geworden.

Einmal, wir Kinder waren oben am Wehr von der Gans (Fluss) nach Russoschin zur Feldscheune hin. Das Getreide stand schon hoch in den Ähren und wir spielten dann nachlaufen. Da kam ganz plötzlich eine Windhose oder Tornado angesaußt. Wir sahen, wie er immer näher kam und wir liefen was die Füße hergaben. Wir hatten Angst, er könnte uns noch erreichen. Im Getreidefeld war danach ein großer Streifen leergefegt.

Wenn im Frühjahr an der Ente (kleiner Bach) auf der Wiese die Kiebitze auf ihren Eiern im Nest saßen, stibitzten wir welche. Sie schmeckten genau wie Hühnereier. Sie waren olivbraun und schwarz gefleckt.

Als wir noch kleine Kinder waren, ich erinnere mich noch sehr genau, kamen schwarz gekleidete Männer ohne Beine. Auf dem Boden sitzend, mit den Händen sich fortbewegend. Manche auch auf Brettern mit Rädchen darunter fahrend. Sie kamen um Almosen fragen. Manchmal bekamen sie auch eine Suppe. Wir Kinder, mein Gott, hatten schreckliche Angst. Wir konnten ja nicht wissen, wer sie waren. Wo kamen sie her? Man hat uns erzählt es sind Kriegsinvaliden aus dem 1. Weltkrieg, sowie auch andere, die wenig oder keine Rente bekamen. Jetzt gingen sie betteln um zu überleben.

Mir fällt noch was ein: Vater hat in Hochzeit (Ort in der Niederung) ein dunkelbraunes Schaf mit Lamm gekauft. Mein Bruder und ich mussten es holen. Wir zogen mit unseren Handwagen den Bahndamm lang zum Bahnhof, dann über die Gleise Richtung Müggenhahl, die Brücke über die Lake und Mottlau nach Nassenhuben und Hochzeit. Es waren ca. 8 - 10 km. Aber eine Prozedur bei der Rückreise. Das Lamm kam im Handwagen, das Mutterscboop hinten angebunden und wir beide haben es gezogen. Das Lamm wollte immer raus zur Mutter. Das Mutterschoop hatte wegen des Euters Probleme beim Laufen. So ging es nur langsam voran. Mein Bruder meinte, wir sollten das Lamm mal trinken lassen, vielleicht hat es Durst. Es wurde gemacht, aus dem Wagen raus und wieder rein. Das Lamm war zu Hause der Liebling meiner kleinen Schwestern. Später, O weh, eines morgens war der Liebling weg. Sie suchten überall.

Onkel Jahn aus Ohra hatte ein Fuhrgeschäft. Er musste für die Wehrmacht Nachschub zur Ostfront bringen. Bei seiner Rücktour abends, kam er spät bei uns an um das Lamm zu schlachten. Mutter hatte sicher mit ihm schon gesprochen. Vater war ja nicht da. Er war in Frankreich bei der Marine. Ein Teil Fleisch hat der Onkel genommen, denn er hatte 10 Mäuler zu stopfen. Der andere Teil hing schon oben auf unserem Boden.

In den Kriegsjahren sind wir auch mal nach Gut Lagschau über Kladau, Tampken hingemacht. Tante Josefa wohnte mit ihren Kindern da. Sie arbeiteten als Instleute, so sagte man und bekamen Deputate (Bezahlung in Naturalien). Da fiel mal was Korn für unsere Hühner ab. Am 1. April 1944 ging ich zur Schichau-Werft in Danzig in die Lehre. Täglich fuhren Freund Horst Wohlfahrt und ich im Vorortzug zum Hauptbahnhof. Dann zu Fuß zum Nebentor zu Schichaugasse zu unserer Lehrstelle.

Jetzt eine Episode wie aus dem Klassiker mit Rühmann (Lehrer Pfeiffer mit 3 f). In der Woche gings unweit der großen Mühle zur Berufsschule. Wir hatten auch eine Marjell in unserer Klasse. Der Lehrer hatte mal Konferenz. Um 12 Uhr haben die Marjell und wir seine Taschenuhr, die auf dem Pult lag, um 1 Stunde vorgestellt. Der Lehrer kam von der Konferenz zurück, sah auf seine Uhr und sagte - schon so spät -, wir machen Schluss. Er steckte seine Uhr in die Westentasche und ging auch Richtung Bahnhof. Wir schlichen hinterher. Er guckte auf die Bahnhofsuhr und dann auf seine. Die ging ja eine Stunde vor und ihm ging ein Licht auf. Beim nächsten Unterricht war de Diewel los. Unser Klassensprecher wollte petzen. Wir drohten ihm mit einer Tracht Prügel. Am Nachmittag mussten wir zur Strafe nachsitzen, aber raus bekam der Lehrer es nicht. Ja. solche Fiesematenten (Unsinn) haben wir gemacht.

Wir kamen nach der Vertreibung 1947 nach Thüringen. Mutter hatte sich kleine Gänse angeschafft. Unser kleiner Bruder Klaus musste die Gänse hüten. Das Wasser hat er immer mitgenommen. Nur noch wenige, die damals die Kindheit und Jugendzeit zu Hause im Freistaat Danzig erlebt haben, können es wiedergeben. Sie sind nicht mehr am Leben.
Solange ich lebe. werde ich niemals vergessen, wie es einmal zu Hause war. Unsere Eltern waren arme Leute. Konnten nicht aus dem Vollen nehmen. Wir mussten uns mit einem Dittchen begnügen. Trotzdem. wir waren glückliche Kinder.

NECTEMERE NECTIMIDE
weder unbesonnen noch furchtsam

NEMINENTIME, NEMINEN LAEDE
niemanden fürchten. niemanden verletzen

Quelle: Heinz Grabert (Grabowski) - ehemals Baltikumssiedlung 5