Erwin Völz - Anmerkungen zum Radaunekanal

Lieber Wolfgang, liebe Danziger Freunde,

das Thema über die "Knochenfunde" erweitert sich zu einem sehr interessanten archeologischen Vorgang. Deinen Bericht habe ich mir sofort ausgedruckt und meine alten Stadtpläne von 1822
und 1911, sowie die Planungsbechreibungen zur neuen Wasserversorgung und Abwasserkanäle, nach Beschlüssen der städtischen Behörden 1863. Dazu noch den Plan von Danzig 1911, in dem die Markthalle schon eingezeichnet ist.

Nun kommen meine Erinnerungen an den Besuch im Juli 1998, mit meinem Sohn Thorsten,
im Museum "Haus der Naturforschenden Gesellschaft" hinzu. Dort war ein Modell ausgestellt über den Bereich der alten Stadt zwischen Ordensburg und der Rechtstadt. - Das solltest Du Dir genauer ansehen. Es war alles in polnisch beschriftet, aber ich konnte mich an einen Heimatkunde-Vortrag aus meiner Schulzeit 1943 erinnern.
Da wurde über die Bedeutung der Verbindung der e.g. Stadtbereiche gesprochen:
I. Damm > II. Damm > III. Damm > IV. Damm > Haustor > Altstädtischer Graben.
Dort am Ende standen zwei Türme, ich meine Kiek en de Kök und Blumentopf. Dieses Gebiet hat tiefer gelegen und ist so auch im Museum dargestellt. Es müßte das alte Abflußtal des Schidlitzbaches sein, bevor die Aussenwälle erbaut waren. Der von den Ordensrittern vor 700 Jahren erbaute Radaunekanal hat diesen warscheinlich mit erfasst. Im Plan von 1822 sind mehrere Kanäle eingezeichnet, die südlich der Großen Mühle vom Radaunekanal abzweigen. Der südlichste grenzt genau nördlich an die Klostermauern an. Dieses ist noch mit allen Gebäudeteilen dargestellt. Da existierte noch nicht der Dominikaner-Platz und die Markthalle. Der eben erwähnte Kanal, kann auch einer, der in den Fachabhandlungen von 1863 angegebenen, Faulgräben sein. Dieser floß nördlich vor "Blumerntopf" (Haustor) am Nordrand des Fischmarktes und südlich des Schwanenturmes zur Mottlau. Im Plan ist dort ein Einmündungsbauwerk zu erkennen. Der Radaunekanal mündet hinter"an die Kalkschuten" mit der späteren Bezeichnung "Am brausenden Wasser."

Vielleicht ist es Dir möglich dort Informationsschriften im Museum zu erhalten, daran wäre ich auch interessiert. Und im vorigen Jahr war ich in der restaurierten Markthalle im UG. Dort sind tief liegende Baureste einer alten Kirche gefunden worden. Darüber gibt es eventuell auch eine Niederschrift. Interessant wäre die Frage nach der Tiefenlage in der Markthalle in Bezug auf
NN.

Und da ich hier gerade so im Gange bin, noch eine Bemerkung zu Deinen Ausführungen zur "Klimakonferenz in Danzig", in Bezug auf die Radaunekanal-Überschwemmungen im Jahre 2001 in Praust, Dammbruch in Ohra-Niederfeld und Hauptbahnhof Danzig:
Du erinnerst Dich, daß ich schon mehrfach dieses Thema beschrieben habe. Auch zitiert habe aus der alten Prauster Chronik, verfaßt 1913. Die Schrift von unserem Freund Helmut Maß ist Dir auch bekannt. - Also die Radaunekanal-Überschwemmungen sind von Menschen gemachte Fehler, bei der Besiedlungsvergrößerung nach 1945, westlich des Radaunekanals, zwischen Praust und Danzig.
Auch 2006 im Mai bin ich mit Peter Rembold an der alten Radaune in Praust gewandert. Das Flußbett könnte heute nicht mehr, durch die Prauster Schleuensteuerung, eine Entlastungsfunktion voll übernehmen. Das alte Radaune-Flußbett ist in Praust eingeengt worden, das ist auch nach alten Fotos erkennbar. Der Radaunekanal wurde früher an der Prauster Schleuse so gesteuert, daß der Wasserzufkuß immer gleichmäßig war. Alles andere Wasser verblieb in der alten Radaune, in dem nicht abgedichteten Flußbett und damit dem Reservoir des vorhandenen Kiesbodens östlich der Bahnlinie Danzig-Dirschau. Auch hier sind Wiesenflächen, die ich als Junge noch gekannt habe, überbaut worden. Es ist fachlich vorstellbar, daß die Reserve-Wiesenflächenöstlich entlang der Eisenbahnstrecke in Praust, einmal ein neuem Bett der alten Radaune zur Mottlau bei Krampitz vorbehalten waren. Als der Radaunekanal noch 1822 über den alten Stadt-Festungsgraben durch eine Riedewand,über den Stadtgraben in die Stadt geleitet wurde, konnte überschüssiges Wasser überlaufen und zur Mottlau direkt abfließen. Eine Riedewand ist ein Holzbauwerk als Trogkonstruktion. So etwas war noch vor 1945 in Mönchengrebin anzusehen. Dort wurde das Wasser der Kladau über die Mottlau geleitet, um den Burggraben immer mit Wasser aufzufüllen. Die Burg in Mönchengrebin lag etwa 12 m ü.NN. Bei meinem Danzigbesuch Herbst 2001 habe ich die Folgeschäden des Dammbruches in Ohra gesehen und auch die Schlamm-Massen, die seitlich der Straße Danzig-Praust planiert wurden. Die Wassermassen haben gezeigt was von Nöten ist, sie brauchen Raum und den haben sie sich geholt, wo durch fehlende Vorplanung Verengungen entstehen. Die Stadt ist in allen Bereichen um 50 % gewachsen. Sie ist eine an der Danziger Höhe lange Besiedlung von Praust bis Gedingen. Der Radaunekanal ist kein Vorfluter und hatte die Funktion der Wasserversorgung und Wasserkaft-Energieversorgung der alten Stadt. Eine meiner Arbeiten, zur Ingenieurprüfung vor 53 Jahren war die Berechnung und Planung eines Überlaufbauwerkes. Dieses dient zumÜberlauf in ein Entlastungs-Flußbett, etwa in Ohra-Niederfeld, damit das Wasser gar nicht erst zum Hauptbahnhof Danzig zufließt. Alle Entwässerungsleitungen der
Stadtentwässerung der Neubaugebiete, westlich auf der Danziger Höhe, müssen gedükert werden. D.h. ohne Zufluß zum Kanal gekreuzt werden. In der Baubeschreibung und im Entwässerungplan von 1863 wurde auch schon ein Düker im alten Festungsgraben bei Petershagen eingezeichnet und
später ausgeführt.

Auch die Überschwemmung am Strießbach in Langfuhr, war eine Folge von Mangel an Raum für den Wasserabfluß aus der Höhe. Die Bebauung läßt das Wasser über die versiegelten Flächen dem Vorfluter schneller zufließen.

Die Funktion der alten Prauster Schleuse ist scheinbar auch nicht mehr in takt, als Zuflußsteuerung vom Radaunefluß zum Radaunekanal. Das habe ich im Sommer vorigen Jahres als Vernachlässigung im Umgang mit altem Kulturgut bezeichnet, welches auch der 700 Jahre alte Radaunekanal darstellt.
Das schreibe ich nicht aus "Schadenfreude" weil dort Umweltprobleme entstanden sind, sondern aus Sorge um meine Danziger Heimat, obwohl ich dort nicht mehr ständig wohnen möchte. Nun hörte ich, daß man seitens der heutigen Behörden überlegt, den Radaunekanal zu vertiefen. Das würde doch einem Kanalneubau gleich kommen. Der von den Ordensrittern gebaute Kanal, ist durch eine Tondichtungsschicht von Praust bis zur damaligen Riedewand abgedichtet worden. Die Einleitung nach dem Abbau der Festungswälle auf der Stadtwestseite, geschah unterirdisch in massivem Kanal, der in der Töpfergasse wieder sichbar wird. Also darf hier nur soviel Wasser ankommen, wie der Zufluß zur Großen Mühle faßt, der Überschuß muß ausserhalb Danzigs abgeleitet werden.

Quelle: Erwin Völz, Danzig-L